Festival-Bericht | 2

Kulturjournalistin Franca Wittenbrink hat unsere Konferenz "Art, Politics and the Institution" besucht und sich mit Andreas Liebmann, Leiter und Co-Kurator der Veranstaltung, unterhalten:

Handlungsreisender in Sachen zeitraumexit

Es war eine großer Bogen, der beim EUROPEAN SUMMIT: ART, POLITICS AND THE INSTITUTION gespannt wurde. Kultureinrichtungen, Künstler und Aktivisten aus sechs verschiedenen europäischen Ländern trafen sich während des ersten Festival-Wochenendes im Laboratorium17, um gemeinsam mit dem Publikum über das politische Selbstverständnis von Kultureinrichtungen und die Freiheit der Kunst in Europa zu sprechen. Das Themenspektrum reichte dabei von der Bedeutung der Stadt über verschiedene Formen kreativen Künstlerprotests, globalisierungs- und institutionskritische Ansätze, die Rolle der Kunst als politische Kraft bis hin zur Frage der Gewalt.


Der Leiter und - gemeinsam mit Jan-Philipp Possmann und Gabriele Oßwald - Kurator des Summits, Andreas Liebmann, über seine Arbeit als Künstler und die Hintergründe des Projekts:


Andreas, was hat dich zu diesem Projekt bewegt?
Ursprünglich stammt die Idee von Jan-Philipp Possmann - aber auch für mich gab es verschiedene Beweggründe.

Mir fällt schon seit einiger Zeit auf, dass die „freie Kunst“, die „freie Szene“ eigentlich sehr unfrei ist. Ständig geht es darum, Anträge zu schreiben, und wenn du Glück hast, sprichst du gerade die Sprache, die die Jury versteht. Im Prinzip ist das ganze System eine Art Ökonomie geworden, die ihre Bestimmer, ihre Meinungsmacher und ihre Machtzentren hat - und irgendwann beginnst du, nur noch für Forderungen zu produzieren, die eigentlich von anderen gemacht werden.

Wenn man sich dieser Abhängigkeit und den Strukturen nicht einfach so hingeben, sich dem System nicht unterwerfen will, sehe ich nur einen Ausweg: etwas mit lokaler Bedeutung zu machen, Projekte also, die für die Leute vor Ort eine Relevanz haben.

Das erlebe ich gerade auch ganz persönlich: Ich habe knapp 20 Jahre lang in Berlin gearbeitet, war in dieser Zeit aber auch viel als Freelancer unterwegs. Vor einem Jahr bin ich nach Kopenhagen gezogen und habe gemerkt, dass ich ein großes Bedürfnis danach habe, meine Arbeit lokal zu verankern, etwas mit dem Land, in dem ich lebe, anzufangen. An der Theaterhochschule in Kopenhagen beginne ich gerade ein solches Projekt, woraufhin Jan-Philipp Possmann mich schließlich auf die Idee brachte, den Summit ART, POLITICS AND THE INSTITUTION zu leiten. In seinem Auftrag machte ich mich dann auf den Weg, die verschiedenen Institutionen in Europa zu besuchen. Ich war quasi Handlungsreisender in Sachen zeitraumexit, aber auch in meiner eigenen Sache. Und nun kommen hier, in Mannheim, alle zusammen.

Was hast du dir von dem dreitägigen Summit erhofft?
Ich habe das ganz offen formuliert, ohne zu wissen, was am Ende dabei herauskommt - aber darum ging es mir auch nicht. Mein Ziel war es, sich treffen und austauschen zu können - ohne sich verteidigen oder behaupten zu müssen. Mein Hauptjob lag darin, den Leuten einen guten Rahmen zu bieten, in dem verschiedene Perspektiven zu Wort kommen können - bisher ist das sehr gut gelungen. Im Anschluss an den Summit wird es eine Publikation geben - über alle Begegnung mit den Teilnehmern schreibe ich Texte.


Wird es in Zukunft weitere Projekte dieser Art geben?
Bisher ist noch nichts in Planung, aber ich halte das für sehr gut möglich. Ich beobachte schon jetzt, dass bereits kleinere Kollaborationen unter den Teilnehmern in die Wege geleitet werden, das finde ich ganz toll. Offensichtlich waren die Leute ein sehr guter Match - das ist vor allem Jan-Philipp Possmann und Gabriele Oßwald zu verdanken, die für die Auswahl der Teilnehmer verantwortlich waren.


Du bist nicht nur als Leiter des Summits, sondern auch als Performer auf dem Festival zu Gast. Was hat es mit deinem Abend „WIR - EIN SOLO“ auf sich, der nächste Woche zu sehen sein wird?
Das Stück habe ich vor fünf Jahren gemacht, jetzt kommt es nach einer längeren Pause wieder auf die Bühne - da freue ich mich schon sehr drauf. Der Abend ist ein Gruppensolo für einen Einzelnen, eine Performance, bei der es darum geht, sich über Gemeinschaft Gedanken zu machen. Der Grundtrick ist die „imaginäre Interaktion“: Damit der Abend funktioniert, müssen die Leute machen, was ich ihnen sage - aber eben nur in ihrer Imagination. Ich lade sie zum Beispiel dazu ein, mit mir auf der Bühne zu singen oder zu tanzen, auch wenn sie in der Realität auf ihren Stühlen sitzen bleiben. Die Leute sehen sich dann wirklich selbst nach vorne gehen und haben großen Spaß daran, das ist toll.


Andreas Liebmanns Performance WIR - EIN SOLO ist am 21. September, 20 Uhr, im zeitraumexit zu sehen.

Franca Wittenbrink hat Kulturwissenschaft, Politik und Philosophie an der Universität Lüneburg studiert und ist seither als Journalistin für das Hamburger Abendblatt, die Stuttgarter Zeitung und die Süddeutsche Zeitung tätig.