Fremd im eigenen Körper

Rhein-Neckar-Blog
06.07.2015

„Wunder der Prärie“ im zeitraumexit

Zum neunten Mal präsentiert das Künstlerhaus zeitraumexit „Wunder der Prärie“ – ein internationales Festival für Performancekunst und Vernetzung. Das Programm steht bereits fest und die Planungen schreiten voran. Das eigentliche Festival wird dann vom 18. bis 26. September in Mannheim stattfinden. An neun Tagen werden in vier verschiedenen Spielstätten zehn unterschiedliche Produktionen präsentiert. Außerdem wagen sich die Organisatoren an eine neue Festivalstruktur, bei der die Zuschauer nicht immer nur Zuschauer bleiben.

Das Thema des Festivals ist „Fremd“. Doch dabei soll es nicht um das exotische Fremde gehen, nicht um das  Fremde der Ferne. Stattdessen beschäftigen sich die zehn Produktionen  und auch das Rahmenprogramm des Festivals mit dem Fremden, dass Menschen in sich selbst tragen: Es geht um Situationen, in denen man sich selber nicht wiedererkennt. In denen man anders handelt, als gedacht. In denen man andere Seiten von sich kennenlernt – und sich damit zurechtfinden muss.

Die Begegnungen mit geistig oder körperlich behinderten Menschen, Obdachlosen, Wachkomapatienten oder Demenzkranken soll den Besuchern zeigen, in welche „Fremden“ sie sich selbst verwandeln könnten. Wie würden sie mit so einer „Verwandlung“ umgehen? Könnten Sie sich noch mit sich selbst identifizieren?

Individuelle Wahrnehmungen
Die Künstler nutzen die Übergänge zwischen Theater, Tanz und Bildender Kunst, um einzigartige Produktionen zu erstellen , die auf verschiedene Art und Weise betrachtet werden können und zu denen sich jeder Zuschauer ein eigenes Bild machen wird – eine Mischung aus Live-Art und Performance.

Die Produktion „Zakopane“ inszeniert von Hanke Wilsmann und Jost von Harleßem führt die Besucher zum Beispiel einzeln durch eine Welt, in der sie selbst agieren werden. Die Installation im Innern wird dabei dem Planeten „Solaris“ gleichen, angelehnt an den gleichnamigen Roman von Stanislav Lem. Jede Person wird einzeln  durch eine Schleuse in und durch den Raum geführt und kann dort mit seiner Umgebung interagieren. Jeder Zuschauer wird den Raum zu einem anderen Zeitpunkt betreten und einen anderen Moment der fortlaufenden Licht- und Toninstalltion erleben. Somit wird jede Kunsterfahrung besonders individuell.

Fremdes Österreich
Interessanterweise liegt ein anderer Schwerpunkt des Festivals auf Österreich. Aus der Tatsache, dass sich Deutschland und Österreich eine Sprache und ihre kulturellen Wurzeln teilen, resultiert schnell das Gefühl die Österreicher und ihr Land zu kennen. Doch „Wunder der Prärie“ wagt einen genaueren Blick. Und liefert insbesondere in der Performancekunst Einblicke in verschiedene Projekte der österreichischen Künstler. Die Hälfte aller Präsentationen des Festivals stammen aus dem Nachbarland.

catastrophic paradise
Eine von ihnen entstand durch Claudia Bosse. Sie präsentiert mit „catastrophic paradise“ ein Theater-, Recherche-, Installations- und Choreografieprojekt, das die Künstlerin bereits seit 2011 bearbeitet. Seitdem hat sie Interviews mit den verschiedensten Menschen geführt, die sie mit Bildern, Texten und Tonaufnahmen festhält. In ihrem ständig wachsenden Archiv befinden sich Standpunkte über Freiheit, Demokratie, Revolution oder Terrorismus. Für ihre Interviews reiste sie unter anderem nach New York, Brüssel, Beirut und Tel Aviv.

Ihre Kunst soll sich im Spannungsfeld zwischen Paradies und Katatrophe abspielen – sie zeigt politische und gesellschaftliche Ereignisse der jüngsten Geschichte und der Gegenwart auf und drückt sie durch Bewegungen, Bilder, Texte oder Sounds aus.
Die eigentliche, zweieinhalb stündige Performance wird während des Festivals nur zwei Mal gezeigt werden: Einmal am Anfang und dann zum Schluss. Die Installation wird dagegen nahezu durchgängig geöffnet sein. Ziel ist es das Projekt vom ersten bis zum letzten der neun Festivaltage weiter zu gestalten und auszubauen – auch mit Hilfe der Besucher.

Neue Zeit- und Raumstruktur
Passend dazu wird es im September erstmalig eine neue Festivalstruktur geben: Das zugrundeliegende Konzept heißt „Duration“. Ziel sei es laut der Geschäftsführerin des zeitraumexits, Gabriele Oßwald, die Festivaltage als fortlaufenden Prozess zu gestalten: Besucher können die Installationen betrachten und betreten, das Ganze soll “locker” ablaufen: „Wir wollen, dass man auch mal abends nach der Arbeit kurz vorbeikommen kann, sich ein wenig was anschaut und dann auch wieder weitergehen kann, wenn man genug hat.“

Die unterschiedlichen Präsentationen werden nicht nur in den Räumlichkeiten des zeitraumexits stattfinden. Das Festival verteilt sich auf vier Spielstätten in verschiedenen Stadteilen Mannheims. Neben dem zeitraumexit im Jungbusch wird es dann auch in der ehemaligen Stadtgalerie in der Innenstadt, in den ehemaligen Räumen einer Videothek im Lindenhof und in der Alten Feuerwache in der Neckarstadt Vorstellungen, Installationen, Vorträge, Gesprächs- und Diskussionsrunden geben.

Autorin: Carolin Beez

Link: http://www.rheinneckarblog.de/06/fremd-im-eigenen-koerper/72348.html